Immer häufiger strahlt ein neuer Stern auf. Man findet ihn (noch) nicht in der Westdeutschen Zeitung, nicht selten aber in den Kommentarspalten sogenannter „sozialer Medien“, zunehmend in Parteiprogrammen und bald vielleicht auch im Duden. Jedenfalls tagte am 16. November 2018 der Rat der deutschen Rechtschreibung, um auch über die Frage des gendergerechten Schreibens zu diskutieren. Egal wie man zu der Genderthematik steht – hinter ihr verbirgt sich die Frage, ob jemand als Mann oder Frau geboren wird oder ob das Geschlecht Ergebnis einer gesellschaftlichen Zuweisung ist; mit Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 8. November 2017, das ein drittes Geschlecht für den Eintrag in das Geburtenregister bei intersexuellen Menschen fordert, die weder männlich noch weiblich sind, kann man der Frage nicht mehr aus dem Weg gehen, wie heute die zwischenmenschliche Kommunikation respektvoll gestaltet werden kann und muss. Dazu gehört zweifelsohne die Einsicht, dass der meist männlich konnotierte Gebrauch von Wörtern in den Köpfen vieler Menschen dazu führt, dass Frauen und Intersexuelle gerade nicht mitgedacht werden. Versuchen Sie einfach einmal selbst, welches innere Bild ihnen vor Augen steht, wenn sie von der „Bundesärztekammer“ hören. Gehören Sie zu denen, bei denen auch Frauen im weißen Kittel zu sehen sind oder sind da zuerst doch erst nur Männer zu sehen, und erst jetzt im Nachdenken schmuggelt sich die eine oder andere Medizinerin ins grau melierte Bild? Was glauben Sie denn?
Die Art und Weise, wie wir sprechen, bestimmt, wie wir denken. Ob ein Gendersternchen, das aus Leserinnen und Lesern, Leser*innen macht, da wirklich hilfreich ist? Was im Schriftbild funktioniert, ist in der Aussprache kaum nachzuvollziehen. Und sind Intersexuelle wirklich zufrieden, ein Sonderzeichen zu sein? Die Gesellschaft steht jedenfalls vor der Herausforderung, die Art und Weise, wie wir miteinander sprechen, so zu gestalten, dass Menschen nicht einfach nur mitgemeint sind.
In den großen Kirchen trägt man dieser Weiterentwicklung der Sprache dadurch Rechnung, dass von Zeit zu Zeit die Übersetzungen der Heiligen Schriften einer Revision unterzogen werden. Für die römisch-katholische Kirche wurde eine solche Revision 2016 mit der Veröffentlichung der neuen Einheitsübersetzung abgeschlossen. Sie hat unter anderem die Aufgabe, sich näher am hebräischen bzw. altgriechischen Urtext zu orientieren. Diese neue Übersetzung, die mit dem 1. Advent 2018 auch in die Liturgie der römisch-katholischen Kirche Einzug hält, bringt manche Änderung mit sich. Hieß es früher an verschiedenen Stellen, die sich auf den sogenannten ersten Schöpfungsbericht bezogen „Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie.“ (Genesis 1,27), heißt es jetzt „Männlich und weiblich schuf er sie“. Das ist etwas tatsächlich anderes. Während „Mann“ und „Frau“ die Menschheit in zwei Geschlechter teilt, ist das „männlich und weiblich“ viel offener. Es kann die Zweigeschlechtlichkeit bedeuten. Das „und“ hebt hier aber die strikte Trennung auf, insofern Männlichkeit und Weiblichkeit als Aspekte des Menschseins an sich erscheinen. Es gilt eben nicht mehr hier die Frauen, dort die Männer. Geschlechtlichkeit ist vielmehr eine Skala zwischen männlich und weiblich. Das hat das Bundesverfassungsgericht erkannt – und es scheint der Schöpfungsordnung Gottes gerade nicht zu widersprechen. Jetzt muss man dafür nur noch die richtigen Worte finden – oder eine Lösung, wie man ein * ausspricht …
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in der WZ Wuppertal vom 16. November 2018
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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